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Saturday, March 19, 2011

Die Würstchen des Propheten


Die Würstchen des Propheten

Die Lebensmittelindustrie hat die Bedürfnisse von Muslimen vernachlässigt.Das ändert sich nun - weil Zahl und Kaufkraft der Gläubigen steigenSie heissen Bakon Halal, Double Koull Cheese oder LeMust.Auf den ersten Blick sind sie normale Burger in einem normalen Fast-Food-Restaurant. Aber das Fleisch zwischen den Brötchenhälften stammt von Tieren, die nach islamischer Vorschrift geschlachtet wurden.
Die Lebensmittelindustrie hat die Bedürfnisse von Muslimen vernachlässigt. Das ändert sich nun - weil Zahl und Kaufkraft der Gläubigen steigen
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Sie heissen Bakon Halal, Double Koull Cheese oder LeMust. Auf den ersten Blick sind sie normale Burger in einem normalen Fast-Food-Restaurant. Aber das Fleisch zwischen den Brötchenhälften stammt von Tieren, die nach islamischer Vorschrift geschlachtet wurden. Zu kaufen gibt es die Burger bei BKM - Beurger King Muslime - im Pariser Vorort Clichy-sous-Bois. Der Laden läuft: Der Umsatz der BKM-Filiale kann es problemlos mit dem der etablierten Ketten aufnehmen, sagen die franko-algerischen Gründer, die das Konzept demnächst auf ganz Frankreich ausdehnen wollen. Europaweit leben dort die meisten Muslime.
Deutschland folgt auf Platz zwei. Laut der Deutschen Islam Konferenz (DIK) leben hierzulande rund 4,3 Millionen Moslems, die Mehrzahl davon sind junge und damit Fast-Food-affine Leute. Eine Burger-Kette mit islamisch korrekten Klöpsen gibt es hierzulande trotzdem nicht. "Das ist aber nur noch eine Frage der Zeit", meint Badreddin Hawari vom Islam-Zentrum in Aachen. "McHalal wird kommen."
Tatsächlich ist das Bewusstsein für die eigentlich schon lange existierende Zielgruppe zuletzt stark gestiegen. Seit Jahrzehnten bereits leben Muslime in Deutschland, hierzulande vor allem Türken. "Handel, Industrie und Gastronomie haben das Potenzial bislang komplett unterschätzt", sagt Hawari. Dabei habe sich nicht nur die Anzahl, sondern vor allem die Kaufkraft der Migranten über die Jahre und Generationen enorm vergrößert. Experten schätzen allein die Kaufkraft der Deutsch-Türken auf rund 20 Milliarden Euro. Mit religiös geprägtem Konsumverhalten lasse sich Geld verdienen, sagen Branchenexperten: Die Angehörigen der zweiten und dritten Generation kaufen gern Produkte, die zu ihrer kulturellen Identität passen.
Mit reichlich Verzögerung ist das nun auch den heimischen Lebensmittelkonzernen aufgefallen. Während Supermarktketten in anderen Ländern wie etwa Carrefour und Casino in Frankreich, Tesco und Sainsbury in England oder Walmart in den USA längst ein breites Halal-Sortiment haben, ist das Angebot in deutschen Ketten eher mau. Das jedoch dürfte sich ändern. "Die Sensibilität für Halal ist bei den Einkäufern im deutschen Handel deutlich gestiegen", sagt Guido Frijns, Verkaufsleiter von Mekkafood, einem Anbieter von korankonformen Fleischprodukten für die Tiefkühltruhe. Seit Jahren schon stellt das deutsch-holländische Unternehmen auf der weltgrößten Lebensmittelmesse Anuga in Köln aus. "So groß wie in diesem Jahr war das Interesse an unseren Produkten aber noch nie."
Frijns prophezeit für die kommenden Monate einen regelrechten Wettlauf der Handelsketten um die Gunst der Muslime. "Sie wollen das Geschäft nicht mehr allein den kleinen türkischen Läden überlassen", bestätigt Dierk Frauen, Präsident des Bundesverbands des Deutschen Lebensmitteleinzelhandels (BVL). Frauen betreibt selbst sechs Edeka-Filialen in Norddeutschland. Im Markt in Glückstadt bietet er seit einiger Zeit ein Halal-Sortiment: "Damit unterscheiden wir uns vom Wettbewerb."
Der Begriff "halal" stammt aus dem Arabischen und bedeutet "zulässig, erlaubt, gestattet". Welche Lebensmittel halal sind, regelt der Koran. Dort heißt es in Sure 5, Vers 3: "Verboten ist Euch der Genuss von Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber ein anderer Name als Allah angerufen worden ist." Letzteres ist wörtlich zu nehmen: In einigen Schlachtbetrieben ist tatsächlich ein Geistlicher anwesend, andere nutzen Tonbänder mit den Gebeten eines Imam. Starten muss das Band ein Muslim.
Schwieriger wird es bei der Regelerfüllung beim Schlachtvorgang selbst, dem Schächten. Für besonders strenge Muslime bedeutet dies, dass den Tieren bei vollem Bewusstsein die Kehle durchgeschnitten wird, damit sie schnell ausbluten. Das widerspricht jedoch deutschen Tierschutzgesetzen und sorgt daher für eine emotional geführte Debatte. "Dadurch besteht die Gefahr, dass nicht-muslimische Kunden abgeschreckt werden", sagt Daniel Lucht, Handelsanalyst bei Verdict Research aus London.
Allerdings widerstrebt diese Art des Schlachtens auch einem Großteil der muslimischen Bevölkerung. Daher werden Tiere in Deutschland mit leichter Betäubung geschächtet. "Das ist mit den Regeln des Islam durchaus noch vereinbar", sagt Badreddin Hawari vom Islam-Zentrum. Er muss es wissen: Seine Organisation gehört zu den führenden Halal-Zertifizierern in Deutschland, ihr Siegel tragen unter anderem Produkte von Dr. Oetker und Nestlé Deutschland, von Nordmilch, der Molkerei Müller und Westfleisch. Hawari versteht die Debatte daher nicht, spricht von unnötigen Ängsten und Vorurteilen. Schließlich würden auch nicht gekennzeichnete Produkte ähnlich hergestellt.
Tatsächlich benutzt zum Beispiel der Geflügelhersteller Wiesenhof lediglich eine leichte Betäubung. Denn ist das Tier vor der Schlachtung schon tot, hätte das weiße Hähnchen- und Putenfleisch rote Punkte. Und das will dann auch kein nicht-muslimischer Verbraucher mehr kaufen. Ob ein Halal-Logo auf der Ware klebt, entscheiden die Händler hinterher selbst.
Rewe hat in West- und Norddeutschland schon sechs zertifizierte Produkte von Mekkafood im Tiefkühlsortiment, darunter Lahmacun, auch gern als türkische Pizza bezeichnet, Dönerfleisch und Cevapcici. Mehr ist denkbar. "Wir beobachten die Marktentwicklung sehr genau", sagt ein Sprecher.
Branchenkenner halten die Ausweitung für wahrscheinlich. Zumal mittlerweile auch Aldi über Produkte wie Würstchen nachdenkt. Edeka bietet unter der Marke Sultana jene Würstchen bereits in einigen Regionen an, hergestellt von der Wurstfabrik Eggelbusch aus dem westfälischen Harsewinkel. Das Familienunternehmen macht mittlerweile 23 Prozent seines Umsatzes mit Halal-Ware. Beim Schweizer Lebensmittelriesen Nestlé übertrifft der Umsatz in diesem Bereich sogar schon denjenigen mit Bio-Produkten.
Neben Sultana-Würstchen gibt es in ausgewählten Edeka-Filialen auch drei Produkte aus dem Sortiment von Mekkafood. Seit 1993 existiert der kleine Mittelständler, der im nordrhein-westfälischen Nettetal und im holländischen Venlo produziert. Anfangs kam die Firma nur mit türkischen Feinkostläden und Ethnomärkten ins Geschäft. In Kürze wird Großhändler Metro zu den Kunden zählen, berichtet Verkaufsleiter Frijns stolz. "Auf diese Weise erreichen wir auch Kantinen und Schulen." Köche aus Großküchen würden längst danach fragen: "Dort essen schließlich auch etliche Muslime."
Damit steigt der Umsatz mit der korrekten Kost weiter an. Über die derzeitige Höhe gehen die Schätzungen noch auseinander. Während die Unesco von weltweit rund 500 Milliarden Dollar ausgeht, spricht das "World Halal Forum" in Malaysia von mehr als 600 Milliarden Dollar. Einig sind sich beide immerhin darin, dass derzeit kein Lebensmittelsegment so stark wächst wie "Halal-Food". Und das dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Schon aus einem Grund, so Badreddin Hawari: "Die Geburtenrate in islamischen Familien ist um ein Vielfaches höher als in anderen Haushalten."

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